Summer Breeze 2019 | Tag 1

Avatar
Zur Mittagszeit wurde wieder das Infield angesteuert, Lord Of The Lost hatten sich für 12.55 Uhr als zweite Band auf der Main Stage angekündigt. Auch der Weg zum hinteren Teil, in dem sich die fusionierte Doppelbühne befindet, wurde erfreulicherweise umgestaltet, wodurch sich die Menge bei größerem Ansturm besser verteilen konnte. Zur Stagetime der Industrial Metaller aus Hamburg war zwar noch kein übervolles Areal zu erwarten, der Bereich vor der Bühne war aber trotz noch früher Stunde schon sehr gut besucht. Die Schminke saß und begleitet von einem noch düsteren Himmel sowie Songs á la Loreley oder Drag Me To Hell ließen Lord Of The Lost Gothic-Herzen höher schlagen. Spaßig wurde es dann noch mit La Bomba, mit dem die Band zu einem abschließenden Gothic Salsa lud.

Riecht ihr das auch? Ein Hauch von Freakshow lag in der Luft, als es auf 14.45 zuging. Avatar waren die Nächsten, denen die Manege - ähh Main Stage übergeben wurde. Mächtiger Andrang im Auditorium war da vorprogrammiert. Die Schweden zogen wieder mal ein Ass nach dem anderen aus dem Ärmel, sorgten mit unter anderem Paint Me Red und Bloody Angel für ordentlich Bewegung und riesige Moshpits, Frontmann Johannes Eckerström gab den durchgeknallten, charismatischen Zirkusdirektor wieder mal perfekt und ließ auch seine guten Deutschkenntnisse hören. Laut ihm war der Auftritt am Summer Breeze das größte Konzert, das sie bisher in Deutschland gespielt haben. Aufgrund der enormen Resonanz seitens des Publikums werden sicher noch einige in dieser Größenordnung folgen.

Die Zuschauerzahlen sanken nur minimal, denn zehn Minuten nach Ende der Zirkusvorstellung von Avatar erklomm mit Clawfinger ein Überbleibsel der Crossover-Welle die Main Stage. Große Vorfreude meinerseits, doch hatte ich mir schon Gedanken gemacht, wie sie beim gemeinen Summer Breeze-Volk ankommen würden. Sämtliche Bedenken waren jedoch umgehend weggefegt, denn dass die alten Männer es noch immer drauf haben, zeigten sie durchgehend und eindrucksvoll. Voller Bewegungsdrang fegten sie über die Bühne und übertrugen die Energie großflächig auf das Publikum, das sofort Feuer und Flamme für die Schweden war. Noch Minuten nach dem einstündigen Auftritt wurde der Refrain des abschließenden Do What I Say vom Publikum gegrölt. Damit war der Beweis erbracht: Crossover funktioniert auch 2019 noch hervorragend.

Fear Of Domination
Nach einer Stärkung in Form des lang ersehnten Handbrots (bestes Festivalessen!) war es Zeit, die Ficken Party Stage, die sich am Campinggelände befand, in Augenschein zu nehmen. Für 18.30 Uhr hatte sich dort die finnische Industrial Metal-Formation Fear Of Domination angekündigt. Das Bild des Crowd surfenden T-Rex war dieser Tage offenbar besonders beliebt, denn auch hier ließ sich (ganz zur Belustigung der Band) einer blicken und im Laufe des Konzerts gen Bühne tragen. Ein paar weitere, unkostümierte Besucher taten es ihm nach und auch die ein oder anderen Headbanger wurden gesichtet. Auf mich wollte der Funke leider nicht überspringen, der Sound der Party Stage ließ ziemlich zu wünschen übrig, die Vocals wurden nahezu durchgehend zu stark vom Schlagzeug übertönt oder waren generell zu leise eingestellt und die Band machte auf mich allgemein den Eindruck, als wüssten sie trotz Animations-Bemühungen auf der Bühne nicht besonders viel mit sich anzufangen. Schade. 

Umso routinierter gingen da Unearth im Anschluss auf der T-Stage zu Werke. Die Metalcore-Giganten zeigten erneut, was für eine Livemacht sie sind und ließen das Publikum in Sachen Leibesertüchtigung zur Höchstform auflaufen. In Höchstform waren auch In Flames, die ab 19.40 Uhr für eineinhalb Stunden die Main Stage in Beschlag nahmen, mit Chris Broderick einen Neuzugang an der Gitarre dabei hatten und gefühlt zwei Drittel der etwa 40.000 Festivalbesucher in das Infield lockten. Gassenhauer wie Pinball Map oder Leeches kamen erwartungsgemäß gut an, doch auch die neuen Kreationen aus dem von mir noch kritisch beäugten I, The Mask verfehlten ihre Wirkung nicht, wurden wohlwollend aufgenommen und die Lyrics lautstark mitgesungen, während die Grabenschlampen bei der Masse an Crowdsurfern alle Hände voll zu tun hatten. Ein mächtiges Summer Breeze-Comeback für die Schweden.

Danach wurde es Zeit für eine gehörige Portion Prog-Power auf der Wera Tool Rebel Stage, die die Camel Stage ersetzt hat, präsentiert von The Contortionist. Eingestimmt wurde man mit I Will Always Love You von Whitney Houston, zu dem lautstark mitgesungen und geschunkelt wurde. Als die Amerikaner schließlich die Bühne betraten, erfolgte ein abrupter Stilwechsel bestehend aus dichten Klangwelten, Post-Rock-Anleihen und einer Stimmgewalt seitens Frontmann Michael Lessards, der spielend zwischen glasklarem Gesang und harschen Shouts wechselte. Ein besonderes Konzert, das die Besucher selig in die kühle Nacht entließ. Atmosphärisch wurde es dann auch mit Downfall Of Gaia, die mittlerweile einige Male am Summer Breeze zu Gast waren und sich ebenfalls auf der Wera Stage die Ehre gaben. Wie immer entzückte die deutsch-amerikanische Formation mit einer einnehmenden Darbietung ihres vielseitigen Sludge-Sounds mit Crust-, Black- und Post-Einschlägen und einem Wechselbad aus düster-brachial und atmosphärisch. Überschattet wurde das Spektakel aber leider vom herüber wehenden Sound der Main Stage, wodurch die Parts mit cleanem Gesang kurzzeitig untergingen.

Grund für die Soundirritation waren Meshuggah, die die Hauptbühne unterdessen vollkommen unter Kontrolle gebracht und die Menge mit ihren Polyrhythmik-Klängen in Trance versetzt hatten. Ihr Summer Breeze-Debüt zelebrierten sie mit einem perfekten, hypnotisierenden Auftritt, doch bei Bleed passierte es dann. Man hätte es ja nicht für möglich gehalten. Ein Spielfehler? Ja, tatsächlich, beim sonst so reibungslosen Ablauf dieses genialen Konzerts einer so routinierten Band. Doch das sei verziehen, immerhin haben mir die Schweden einen unvergesslichen Abschluss dieses erfolgreichen Festivaltages beschert. Tatsächlich hätte ich sogar noch zwei weitere Bands auf der Liste gehabt, doch die Kälte trieb mich zurück zum Zelt. Immerhin hatte ich auch die nächsten Tage noch viel vor.

Fotos via

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